Wort zum Tag vom
Samstag, dem 05.11.05
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Was siehst Du im Spiegel?

Booth-Clibbor (Th. Gebhardt)

2.Korinther 2:15
Denn wir sind für Gott ein Wohlgeruch Christi unter denen, die gerettet werden, und unter denen, die verloren gehen; diesen ein Geruch des Todes zum Tode, jenen aber ein Geruch des Lebens zum Leben. Und wer ist hierzu tüchtig?

In allen Wohnungen, überall wohin wir kommen, befinden sich Spiegel, in welchen jeder, der da will, sein eigenes Angesicht sehen kann. Auch für unsere Seele gibt es Spiegel, in denen wir unsern Zustand erkennen können. Es sind dies die Umstände und Verhältnisse, durch die wir gehen oder in denen wir uns befinden.

Da können wir, angesichts der tau­senderlei kleinen Widerwärtigkeiten, Schwierigkeiten, Prüfungen, Kreuze und Pflichten des Lebens erkennen, wie es um unsere Seele steht, ob wir Sklaven oder Könige sind, Besiegte oder Sieger, Sün­der oder Heilige.

Die menschliche Seele, die nicht ge­heiligt ist, ist immer geneigt, über die Verhältnisse zu klagen, sobald dieselben unangenehm sind, und ihnen die Schuld ihrer Ungeduld oder ihrer Fehler zuzuschreiben. Sie meint: "Wenn nur die Ver­hältnisse andere wären, wenn ich in anderer Umgebung wäre, in einer ande­ren Stellung, so wäre ich besser, ich würde es besser machen; wenn mir nur diese Prüfung oder jenes Kreuz erspart worden wäre, so hätte ich mehr Fortschritte gemacht."

Wer so spricht, gleicht dem, der seinen Spiegel zerbrechen möchte, weil dieser ihn zwingt, unangenehme Wahrheiten über seine Person zu erkennen.

Es ist also nicht das Äußere, was ge­ändert werden muß, sondern das Innere. Ist das Innere geändert, das Herz umge­wandelt, dann erscheinen die äußeren Verhältnisse ganz anders. Der Anblick der uns umgebenden Welt hängt vom Zustand der Fenster ab, durch welche unsere Seele sie ansieht: Sind die Fen­ster trübe, so sehen wir alles in dunklem Licht; sind sie rein und hell, so erscheint alles anders.

Die Verhältnisse sind sozusagen die Werkstatt, in welcher Gott uns bearbei­tet und bildet, und in der Werkstatt des Zimmermanns befaßt man sich nicht mit den Spähnen, sondern mit der Arbeit, die gemacht wird.

Jedes unserer Kreuze ist eine verklei­dete Segnung. Der Zweifel sieht nur die Verkleidung; der Glaube sieht klarer und weiter. Kein Umstand, so unvorteil­haft er auch sein möge, kann dem Her­zen als Entschuldigung dienen noch ihm erlauben, böse zu bleiben. Diese schein­bar so ungünstigen Verhältnisse sind von Gott zugelassen worden, um uns den wahren Zustand unseres Herzens zu offenbaren. Und weshalb? Damit dieses Herz geändert werde.

Gott betrübt Seine Kinder nicht gerne. Er hat bei allem, was Er tut oder zuläßt, ein Ziel; und dieses Ziel ist, uns die Augen zu öffnen, damit wir uns zu Ihm kehren und gerettet werden. So können die ungewöhnlichsten Umstände und Er­eignisse: Kreuze, Verluste, Trauerfälle, lange und schmerzliche Prüfungen zum ewigen Wohl der Seele gereichen. Gleich­viel, unter welcher Form und durch wen diese Heimsuchungen uns zukommen: sie sind immer dazu bestimmt, dem Fort­schritt unserer Seele zu dienen.

Ist diese Lektion einmal gelernt, so gewinnt die Welt ein ganz anderes Aus­sehen, die peinlichsten Dinge werden die köstlichsten; die, die unsere Feinde zu sein schienen, erscheinen unsere Freunde; wir sehen in jedem Ereignis etwas, was uns üben und vervollkommnen kann.

Für die ungehorsame Seele kann jedes Kreuz, jede Prüfung das Mittel wer­den, um ihr die Tiefen eines inneren Hochmuts, der Selbstsucht, der Unge­duld, des Zorns oder irgendeiner ande­ren Sünde zu enthüllen und sie so dahin zu bringen, daß sie die Befreiung davon sucht.

Für die gehorsame Seele hingegen ist jedes Kreuz eine himmlische Disziplin, eine Staffel, durch welche sie im gött­lichen Leben höher steigt. Oder ist nicht die Verbindung unserer Seele mit Gott das Ziel, das Er im Auge hat? Können wir je einen Preis zu hoch finden, um uns diese höchste Gnade zu erwerben? 0 der Treue Gottes, daß Er dem Hochmut und der Selbstsucht nicht erlaubt, die Seele zu ruinieren, sondern nur sie gegen das Gitter ihres Gefängnisses zu werfen, da­mit sie gezwungen werde, ihre Gefan­genschaft zu erkennen!
Solch bittere Prüfungen zeigen dem Menschen, wie es in Wirklichkeit mit ihm steht, wo sein Schatz ist und sein Herz.

Besser ist's, in diesem Leben leiden als im anderen; besser alles verlieren, als selbst zugrunde gehen. Alles eher, als von Gott getrennt und in Zerwürfnis mit Ihm sich befinden!
Die Seele, welche nur Gott sucht, kann Ihn in jedem Ereignis, in jedem Umstand finden; eine solche Seele ist frei; für sie gibt es keine günstigen oder ungünsti­gen Ereignisse mehr, ihr Glaube zeigt ihr Gott in allem.

Da ihre Seele lebt, so gereichen ihr alle Dinge zum Leben. So ist es auch für die uns umgebende Natur: Die Verhältnisse, welche für die tote Pflanze ungünstig sind, sind günstig für die lebende. Die Wärme und der Regen, welche die le­bende Pflanze wachsen und blühen machen, machen die tote Pflanze faulen. Desgleichen Kreuz und Prüfungen, welche für die tote Seele Ursache zu Bitterkeit, Verzweiflung und Sünde sind, sind Ursachen des Lebens und des Se­gens für diejenige, in der Christus lebt. AMEN!

Das erklärt auch die verschiedene Auf­nahme, welche die Heiligen in der Welt finden. Höret Paulus: "Wir sind Gott ein guter Geruch Christi beides unter denen, die selig werden und denen, die verloren werden: diesen ein Geruch des Todes zum Tode, jenen ein Geruch des Lebens zum Leben."

Unsere schwachen Seiten können sogar für uns eine Quelle großen Segens wer­den, alte Fehler oder gewohnheitsmäßige Mängel eine Quelle der Gnade, durch die Zucht, welcher sich die Seele unterwirft, wenn sie in der Kraft Gottes darüber siegt. Eine solche Erfahrung setzt den, der sie durchgemacht hat, besser instand andern zu helfen und mit ihnen zu füh­len.

Aber wer sollte besser als er Zeugnis geben können von der Macht Gottes?

Gleicherweise verhält es sich mit den äußeren Umständen. Das ist das Geheimnis der Worte von Paulus: "Darum bin ich guten Mutes in Schwachheiten, in Schmach, in Nöten, in Verfolgungen. Darum will ich mich am allerliebsten meiner Schwachheit rühmen, auf daß die Kraft Christi bei mir wohne" (2.Korinther 12:10). Wer kann also verzweifeln in diesem Land des Lichts und der Hoff­nung, dieweil das Heil bis an die ent­legensten Grenzen reicht?

Die geheilte Seele sieht im praktischen Leben in jeder Schwierigkeit eine neue Gelegenheit, Gott zu verherrlichen.

Der Mensch ist nicht geschaffen wor­den, um sich durch die Verhältnisse be­siegen zu lassen, sondern um sie zu be­siegen. Was haben wir also zu tun, da­mit die bitteren Dinge süß werden und wir in allen Dingen "weit überwinden" können und "alles neu werde"? Wir haben uns nur dem inneren Kreuz auszu­liefern; da begegnet Gott dem Menschen und gibt ihm mittelst des Sterbens das Leben. Gott gibt uns das Kreuz, und das Kreuz gibt uns Gott." Das ist der Kreis­lauf aller Prüfungen dieses Lebens.
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